„Zwischen Luftalarm und Flak-Karussel“ - Hansjoachim Baier las aus seinen Erinnerungen

Am Freitag, den 13. Oktober 2023 las der in Panketal lebende Musiker und Autor Hansjoachim Baier im IB Mehrgenerationenhaus am Genfer Platz in Schwanebeck aus seinem Buch „Kind sein in Brandenburg an der Havel“.

Hansjoachim Baier, Jahrgang 1940, ist einer der wenigen noch lebenden Zeitzeugen des Kriegsalltags in Deutschland. Durch den authentischen Stil seiner Erzählungen lässt er die Stadt, ihre Bewohner und die sie umgebende herrliche Natur mit ihren zahlreichen Seen und Flüssen wieder auferstehen und seine Leser daran teilhaben.
Baiers Erzählungen sind persönlich, immer aus der Perspektive des Heranwachsenden geschrieben, und doch entführen sie den Leser in konkrete historische Ereignisse. Bei Baier wird Geschichte durch das Erzählen von Geschichten lebendig!

Für die jüngere Generation kaum nachvollziehbar sind Baiers Schilderungen vom Hunger in den ersten Nachkriegsjahren, als die ganze Familie zum Getreidestoppeln aufs Feld eilte oder mangels anderer Süßigkeiten Eichelkonfekt zum begehrten Objekt der Begierde wurden. Die Schilderungen der „Normalität“ des Fliegeralarms mit dem schnellen Aufsuchen der Luftschutzkeller in den letzten Kriegstagen wirken angesichts der aktuellen Ereignisse in der Ukraine, in Israel oder im Gazastreifen leider wieder hochaktuell. Das Flakgeschütz, das nach Kriegsende von den Nachbarskindern zum Karussell umfunktioniert wurde, steht sinnbildlich für die scheinbare „Normalität“ des Kriegsalltags und eine dennoch unbeschwerte Kindheit in schwerer Zeit.

Hansjoachim Baier schildert alltägliche Ereignisse aus seiner Kindheit. Erlebnisse der letzten Kriegsgeneration, die es in absehbarer Zeit nur noch in Form von Überliegerungen geben wird. Umso wichtiger ist es, dass viele, vor allem jüngere Menschen, diese Berichte und Anekdoten lesen oder hören und sich auch in Zukunft bewusst machen, dass Krieg niemals ein erstrebenswerter Zustand sein kann.

Aufgewachsen in der naturnahen Umgebung der wasserreichen Stadt Brandenburg a.d. Havel und des Bätzsees, führten die Kriegs- und Nachkriegsumstände den natur- und musikbegeisterten Hans Baier später als Geiger an die Komische Oper Berlin. Heute ist er aktives Mitglied der St. Annen Kantorei und musiziert gerne mit jungen Menschen. Die Lesung wurde daher von Schülerinnen und Schülern der Neuen Musikschule Bernau / Panketal musikalisch umrahmt. Unter der Leitung von Charlotte und Niels Templin brachten die jungen Musikerinnen und Musiker -von Andrej Tsvetkov am Klavier begleitet- unter anderem den Kanon zu drei Stimmen von Hansdieter Meier und die Arie aus der „Bauernkantate“ von J. S. Bach zu Gehör. Nach der Pause erklangen u.a. das Menuett aus der „Wassermusik“ von Händel sowie das witzige Stück „Tonango“ des zeitgenössischen Komponisten Patrick Hagen. Abgerundet wurde der von Hans Baier lebendig und ansprechend intonierte Vortrag durch die beiden sehr gegensätzlichen Stücke „Prelude“ und „Gavotte“ des russisch-sowjetischen Komponisten Dmitri Schostakowitsch.

Im Anschluss an die Veranstaltung ließen sich einige Besucher das im Verlag Andrea Schröder erschienene, wunderschön illustrierte Buch „Kind sein in Brandenburg an der Havel“ vom Autor signieren und kamen miteinander ins Gespräch.

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